Hier und jetzt vom Fasten zu sprechen, wäre eine Sünde. Der
Forggensee liegt spiegelglatt, am Horizont lassen sich im Nebel
die Türme von Neuschwanstein erahnen. Doch der Blick wird von
etwas anderem gefesselt - von einem üppig gedeckten Tisch, wie
wir ihn so noch nie gesehen haben. Viviane Mößmer präsentiert
und dekoriert Früchte und zwar nur Früchte, dafür aber in allen
Farben und Formen - ein- heimische, fremde, exotische, pralle,
prachtvolle, grüne, gelbe, braune, rote - und gibt einem das
Gefühl, im Garten Eden zu sein. Fastenleiterin Vivi spielt die
Eva, diesmal mit einer saftigen Ananas, und fordert uns auf,
zuzulangen. Und zwar so lange, bis wir satt sind. Früchtefasten
ist die sanfte, lebenslustige Schwester des echten Fastens, bei
dem es nur Wasser, Tee |
und allenfalls Gemüsebrühe gibt. Es ist geeignet für denjenigen,
der mit Askese und innerer Einkehr nicht so viel am Hut hat,
dafür aber mal eine Woche in der Natur wandern und dabei seinen
Körper rundum fit machen will. Viviane Mößmer (44), Vivi, ist
die Fleisch gewordene Versuchung, wenn's ums Früchtefasten geht.
Fit, vital, sportlich, voller Energie und mit der schönen
Gesichtsfarbe von Menschen, die sich viel an der frischen Luft
aufhalten und auch sonst ziemlich stressresistent sind. Dabei
war das nicht immer so. Die Allgäuerin war mal eine Karrierefrau
im Versicherungswesen, bis sie erkrankte und gezwungen wurde,
über sich und ihr Leben nachzudenken. Die Mutter zweier
erwachsener Kinder orientierte sich neu und wurde Trainerin. Für
Aero- |
bic, Step, Krafttraining, Aquafitness, Rückenschule und
Nordic Walking. Und sie beschäftigte sich fortan mit gesunder
Ernährung, mit dem Segen von roher, unbehandelter, biölogisch
hergestellter Kost. Ihre Kurse für Früchtefasten in Verbindung
mit ausgedehnten Wanderungen in und um Füssen, aber auch in
Südtirol oder in der Rhön, sind fast immer zügig ausgebucht.
Nicht wenige Stammgäste nehmen sich eine Woche Auszeit, um bei
Anstrengung und Entspannung, Wellness und Bewegung dem
Alltagsstress mit seinen Verführungen in Form von zuviel Kaffee
und Schokolade, schnellen Imbissen an Dönerbuden und fetten
Geschäftsessen zu entfliehen. Vivi bezieht ihre Früchte
ausschließlich aus kontrolliertem Bio-Anbau - auch die
exotischen. Und die Fastenexpertin |
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ist ein wandelndes biologisch-medizinisches Lexikon, beschreibt
Inhaltsstoffe, Funktion, Wirkung der Äpfel- und Birnen-Sorten, Trauben
und Bananen, aber auch von Rambutan, Zapote, Cherimoyas. Wo Kalium
drinsteckt, wo Magnesium, Eisen und Zink zu finden sind, wo Vitamine.
Zur rohen Kost - morgens nur Früchte, mittags dazu ge-
"Nehmt ein bisschen
von dem Gefühl
mit nach Hause."
trocknete Leckerchen, abends Früchte, Nüsse, Pilze, rohes Gemüse -
gibt's wahlweise warmes und kaltes Wasser. "Überfressen" können wir uns
nicht, erklärt Vivi, bei Rohkost teilt uns der Körper mit, wann er genug
hat. Auch das Geschmacksempfinden verändere sich. Wem unwohl wird, wem's
nicht mehr mundet, wer das Gefühl hat, jetzt reicht's, der sollte
aufhören. Auch die beim Fasten notwendige Darmreinigung mit Glaubersalz
fällt weg. Vivi predigt: Gesunde Ernährung und Bewegung gehören
zusammen. Also geht's los, auch wenn's regnet und schneit, morgens früh
am Ufer des Forggensees. Eine Stunde Nordic Walking und Gymnastik. Dann
zu Fuß durch die Pöllatschlucht an steilen Felswänden vorbei zum Schloss
Neuschwanstein. Wunderschön und ebenerdig ist der Weg um den Hopfensee,
interessant der Marsch an der Lech, auf dem einst Flößer ihre lebensgefährliche Arbeit verrichteten, nach Bad
Faulenbach. Anstrengende 22 Kilometer lang ist die Route zum
geheimnisvollen Alatsee, von dem man munkelt, er berge einen Schatz der
Nazis, aber alte Schmuggelrouten bis nach Österreich und aber die Lände
wieder zurück nach Füssen. Zu |
jedem Ort hat Vivi etwas zu erzählen, sie ist hier groß geworden,
hat im Sommer in den Seen gebadet, kennt Hinz und Kunz und jeden Stein
persönlich. Mittags kredenzt sie getrocknete, mit Fruchtzucker
überkrustete Datteln oder Feigen, für die man schon bald jede Sahnetorte
liegen lassen wurde. Und abends gibt's jeweils ein "Schmankerl", die
köstlichsten Mangos der Welt, rosa Süßkartoffeln, ungeröstete Erdnüsse,
Avocados pur oder fette Macadamia-Nüsse. Der Erfolg: Drei Kilo weniger
nach fünf Tagen. Eine Haut wie Seide. Ein Gefühl, als könnte man Bäume
schultern. Nehmt ein bisschen von dem Gefühl mit nach Hause", sagt Vivi.
"Und legt ab und zu mal einen Obsttag ein!" Wenn's nur zu Hause auch so
gut schmecken würde. Cornelia Färber
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